PROFOLK 1984 bis 2024 – wichtige Stationen

Sechs Folkclubs aus dem Norden der alten Bundesrepublik gründeten Ende November 1984 den Verein. Heute wirken im Netzwerk für Lied, Folk und Weltmusik bundesweit Menschen zusammen, die professionell oder nebenbei Folkmusik machen, Vereine und Agenturen, die Veranstaltungen organisieren, Instrumentenbauer, Journalisten, Freunde unseres schönen, vielfältigen Genres. Die Bildchronik zeigt wichtige Stationen aus 40 Jahren PROFOLK-Geschichte.

VON WOLFGANG LEYN

PROFOLK-Session beim Rudolstadt-Festival 2024 (Foto: Wolfgang Leyn)

Wichtiges Anliegen der 24 Gründungsmitglieder aus Norddeutschland, vom Niederrhein, aus Hamburg, Bremen, Niedersachsen, Siegen und Wuppertal war die Koordination der Auftritte von Folkstars, vor allem wohl aus England, Irland, Schottland oder den USA, das heißt die Organisation gemeinsamer Tourneen. Bald schon erweiterte sich der Blick. Seitdem ging und geht es PROFOLK darum, die Rahmenbedingungen für das Genre zu verbessern, es öffentlich sichtbar zu machen, Talente zu fördern, durch Vernetzung Synergieeffekte zu erreichen.

Andere haben ‘s leichter

Folk, Lied und Weltmusik gehören hierzulande nicht zum Mainstream. Eine lebendige Traditionspflege, wie wir sie neidvoll in den meisten anderen europäischen Ländern sehen, gibt es bei uns allenfalls in wenigen Gegenden. PROFOLK repräsentiert eine mittlere vierstellige Zahl von Menschen. Beim Deutschen Rock & Pop Musikerverband sind es 20.000. Kulturpolitik ist in der Bundesrepublik Ländersache. Ein Kulturministerium wie seinerzeit in der DDR existiert nicht. Das erschwert eine bundesweite Förderung. Länder und Kommunen klagen über klamme Kassen. Kultur zählt nicht zu ihren Pflichtaufgaben. Das sind die Gegebenheiten, mit denen der ehrenamtlich arbeitende Bundesverband klarkommen muss. Was er dabei seit 1984 erreicht hat, das soll die illustrierte Chronik zeigen (Bilder dafür zu finden, war nicht einfach; allen, die halfen, sei an dieser Stelle gedankt):

1989: GEMA-Gesamtvertrag

(Quelle: www.gema.de)

Der mit der Verwertungsgesellschaft GEMA (Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte) ausgehandelte Vertrag tritt in Kraft. Seitdem erhalten profolk-Mitglieder einen 20-prozentigen Rabatt bei den für ihre Auftritte zu zahlenden Lizenzgebühren.

1990: West-Ost-Treffen in Bad Hersfeld

Quelle: PROFOLK / Hersfelder Zeitung (27.09.19) / Buchcafé Bad Hersfeld

Ende November 1990, kurz nach dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik, lädt profolk Vertreter der ostdeutschen Folkszene nach Bad Hersfeld nahe der früheren deutsch-deutschen Grenze. Das Treffen im Buchcafé wird das folgenreichste der Vereinsgeschichte: Hier wird vereinbart, in Rudolstadt gemeinsam ein Festival zu veranstalten. Es beginnt die Vereinigung beider Szenen auf Augenhöhe.

Protokoll der West-Ost-Debatte am 11.11.90 in Bad Hersfeld siehe Download am Ende des Artikels
Video vom PROFOLK-Konzert am 09.11.90 im Buchcafé Bad Hersfeld
Bild-Bericht vom PROFOLK-Jubiläum in Bad Hersfeld am 01.11.24

1991: Tanz- und Folkfest in Rudolstadt

Foto: Ulrike Triebel

Im Juli geht in der Stadt der DDR-(Bühnen-)Tanzfeste erstmals ein internationales Festival für Folk, Roots und Weltmusik über die Bühne. Auf die Beine gestellt wurde es von einem deutsch-deutschen Team. Veranstalter sind die Stadtverwaltung, PROFOLK sowie das Szeneblatt folk-michel. Heute ist das Rudolstadt-Festival eines der wichtigsten seiner Art in Europa – und der Treffpunkt der Szene. Im Bild: Konzert mit Kepa Junkera (Baskenland/Spanien) beim tff Rudolstadt 1991.
Rudolstadt-Festival - Archiv 1991-2023

1991-2002: Profolk-Adressenkatalog

Die 2. Auflage der Broschüre enthält 1.900 Adressen von Veranstaltern, Künstlern und Medien. In der Zeit vor dem Internet ist das ein unentbehrliches Arbeitsmittel für alle, die privat oder dienstlich mit Lied, Folk und Weltmusik zu tun haben. In der 7. Auflage von 1996 sind es dann über 11.000 Adressen. Angeboten wird sie gedruckt und auf Diskette, 2002 auch als PDF-Download beim folker.

1992: Erstmals Folkförderpreis

Foto: privat

Der Preis für Nachwuchstalente aus der deutschen Szene, die Studioproduktion einer CD, ist eine konzertierte Aktion von PROFOLK, dem Rudolstädter Festival, der Zeitschrift folker und dem Radioprogramm MDR KULTUR. Der Verein PROFOLK übernimmt die Organisation und den Jury-Vorsitz. 2002 hat der Deutsche Weltmusikpreis RUTH Premiere, mit einer Sparte Nachwuchs- bzw. Förder-RUTH. 2006 zieht sich PROFOLK als Auslober zurück. Das Anliegen der Nachwuchsförderung sei durch die Professionalisierung des Wettbewerbs nicht mehr gegeben. Hier: Johannes und Andreas Uhlmann aus Leipzig 1994 beim Preisträgerkonzert in Rudolstadt (von rechts).
Mehr zum Folkförderpreis und dem Deutschen Weltmusikpreis RUTH

1995: Vereins-Neugründung

Um die PROFOLK-Tätigkeit professioneller zu machen und aus steuerrechtlichen Gründen tritt an die Stelle des Dachverbandes für Folkmusik nun der Verband für Lied, Folk und Weltmusik in Deutschland. Zusätzlich zum Vorstand wird ein 5-köpfiges Präsidium berufen. Es besteht aus renommierten, der Szene verbundenen Musikethnologen, Musikern, Produzenten und Journalisten.

1997: Mitveranstalter beim Liederfest „Hoyschrecke“

Quelle: www.hoyschrecke.de

Songpoeten und Liedgruppen aus ganz Deutschland treffen sich jedes Jahr in Hoyerswerda zu Gedankenaustausch und Wettbewerb. Bei der Premiere 1997 tritt auch der Liedermacher Gerhard Gundermann auf († 1998). Veranstaltet wird das Liederfest von der Kulturfabrik Hoyerswerda gemeinsam mit PROFOLK, 1999 stieß Gundermanns Seilschaft dazu. Außer dem Preisgeld erhalten die Sieger die von Andreas Niegel handgefertigte „Hoyschrecke“.
Website der Hoyschrecke

1997-2002: PROFOLK-CD-Sampler

Die CDs enthalten Aufnahmen von jeweils 18 Bands, dazu ein englischsprachiges Booklet. Sie sollen deutsche Bands im Ausland bekanntmachen, z. B. auf der Folk Alliance Conference in den USA oder in Europa auf der internationalen Musikmesse WOMEX: 1997 „It’s only Kraut … but I like it”, 1998 „Prime cuts”, 1999 „Test the best”, 2000 „Pearls for a new century”, 2001 „A Folk Odyssey“, 2002 „Local Heroes“.

2014: CD mit traditioneller deutscher Tanzmusik

Elf Solisten und Bands zeigen auf dem PROFOLK-Sampler die musikalische Vielfalt und Schönheit der alten Melodien aus Handschriften des 18. und 19. Jahrhunderts. Historische Quellen werden verbunden mit den Welten von Bordunmusik, Pop oder Jazz. Mit Booklet zum Umgang mit Tanzmusikhandschriften verfasst von Merit Zloch, Simon Wascher und Ralf Gehler. 2012 war die 1.400 Seiten umfassende Tanznotensammlung der Dahlhoffs entdeckt und mit Hilfe eines Crowdfundings digitalisiert worden.
Die Dahlhoff-Sammlung (Digitalisat der Deutschen Staatsbibliothek Berlin):
Die Notenhandschrift zum Spielen neu notiert

2016: CD Deutschfolk in Regionalsprachen und Dialekten

„Auf´s Maul geschaut“ bringt traditionelle und neue Lieder in Hennebergisch, Bairisch, Plattdeutsch, Hochwald-Moselfränkisch, Niederalemannisch, Föhr-Friesisch, Pennsylvania Dutch und Jiddisch. Eingespielt wurden sie von zwölf Solisten, Duos und Bands. PROFOLK macht mit diesem Sampler hörbar, wie schön die sprachliche Vielfalt in Deutschland ist.

2020: Gründung der DeutschFolk-Initiative

Gegründet in Halle/Sachsen-Anhalt, will sie unter dem Dach von PROFOLK Menschen verbinden, die sich für traditionelle oder traditionell inspirierte Musik aus den Regionen Deutschlands begeistern – zukunftsgewandt und weltoffen, weder nationalistisch noch rein kommerziell. Bands aus sieben Bundesländern arbeiten im Netzwerk mit. Die Initiative organisiert Deutschfolk-Bühnen auf diversen Festivals und lädt zu eigenen Festivals.
Homepage der DeutschFolk-Initiative

2021 Deutschfolk-Festival Jena (Thüringen)
2022 Deutschfolk-Festival Frankfurt/Oder (Brandenburg)
2023 Deutschfolk-Festival Schwerin (Mecklenburg-Vorpommern)
2024 Deutschfolk-Festival Dinker (Westfalen)
Einladung zum Festival 2025 nach Hamburg

2024: Thüringer Waldzither als immaterielles Kulturerbe

Foto: Wolfgang Leyn

Gemeinsam mit dem Waldzitherverein Suhl und dem Harzklub Braunlage bringt PROFOLK die Anmeldung der Waldzither für das bundesweite Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes auf den Weg. Über Neuzugänge entscheiden die Kultusminister der Länder und die Bundesbeauftragte für Kultur und Medien. Wanderausstellungen und Vorträge sowie die Cistersymposien in Suhl führten zur Wiederbelebung von Bau und Spiel des traditionsreichen Instruments. Im Bild: Hüsch beim Rudolstadt-Festival 2015 - mit drei Waldzithern!
MDR THÜRINGEN zur Bewerbung (15.03.24)

2024: Premiere für das Jugend Folk Orchester

Foto: Michael A. Schmiedel

Die Konzerte des erstmals formierten Klangkörpers gehören zu den Höhepunkten beim Rudolstadt-Festival. 40 Musikerinnen und Musiker zwischen 12 und 25 Jahren aus ganz Deutschland spielen mit Dudelsäcken, Geigen, Celli, Harfe, Gitarren, Akkordeons oder Kontrabässen ein anspruchsvolles Programm. Einstudiert haben sie es im Probenlager unter Leitung von Folkvirtuosinnen und -virtuosen. Ein zukunftsweisendes PROFOLK-Projekt. Fortsetzung folkt!
Homepage des Jugendfolkorchesters

2024: Neue PROFOLK-Homepage

Der Verband schenkt sich selber zum 40. Geburtstag eine neue Homepage. Erstellt wird sie wie schon diejenige der DeutschFolk-Initiative von Kristina Künzel, die grafische Gestaltung liegt in den Händen von Henrike Eckhardt. Beides sind erfolgreiche Folkmusikerinnen. Die Website bietet Neuigkeiten, alles über den Verein, Links zu kulturpolitischen Neuerungen und Fördermöglichkeiten – und mal sehen, was noch alles. Work in Progress ...
Link zur neuen PROFOLK-Homepage

40 Jahre – Plus und Minus

Was ist das Wichtigste, das PROFOLK seit 1984 erreicht hat?

  • Frank Reglin (Folkmusiker, seit 1985 im Vorstand): Immer noch präsent zu sein, Kooperationen mit Festivals, mehr Deutschfolk-Bühnen, das Jugendfolkorchester.
  • Stefan Backes (Folkmusiker, Folker-Redakteur, 2004-2008 im Vorstand): In den 90ern der Folkförderpreis, jetzt das Jugendfolkorchester, mehr öffentliche Sichtbarkeit für Rootsmusik in Deutschland.
  • Ralf Gehler (Folkmusiker, Musikethnologe, Festivalveranstalter, 2012-19 im Vorstand): In der Vor-Computerzeit der Adress-Katalog, dann die CD "Folkmusik aus alten Handschriften", Deutschfolk als zentrales Thema. ENDLICH!

Was hindert(e) PROFOLK daran, noch erfolgreicher zu sein?,

  • Frank Reglin: Das immer noch bescheidene Budget, daher fehlende hauptamtliche Mitarbeiter.
  • Stefan Backes: Folkmusik ist ein Nischenbereich, bekommt wenig Förderung, die flächendeckende Vernetzung ist noch nicht erreicht.
  • Ralf Gehler: Nichts. Denn, wie sagte Maik Wolter immer, "Profolk ist die Summe der Aktivitäten seiner Mitglieder". Mit offenem Ohr für Aktivitäten geht alles.

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